Schon lange ist es her, dass hier erstmals über das seinerzeit noch als Großbaustelle vorhandene neue Bürgerhaus in Unterföhring berichtet wurde. Dort hatte ich bereits angekündigt, dass ich mir die Auftaktveranstaltung „Die Orchesterprobe – war die gestern oder im 2. Stock?“ nach Werken von Karl Valentin auf keinen Fall entgehen lassen würde.
Nun ist er nämlich fast fertig, der Kulturziegel.
So nenne zumindest ich das Bürgerhaus, denn es ist quaderig wie ein Ziegel und rot wie ein Ziegel. Und Ziegel, die waren in der Zeit von 1866 bis 1968 das Material, mit dem Unterföhring sich seinen Aufstieg gebaut hat – quasi als Zwischenstation vom Bauerndorf zum Medienstandort. Da muss man nicht erst den Architekten fragen, was er mit seiner Gestaltung sagen wollte.
Während der Kulturziegel also seinen letzten Schliff bekommt, erobern die ersten Unterföhringer Bürger ihren Kulturtempel in memoriam Karl Valentin.
Kulturmanager Wolfgang Ramadan, der das „kleine Eröffnungsspektakel“ angezettelt hat und als „Bauleiter“ bei den mehrfach durchgeführten Veranstaltungen jeweils eine Besuchergruppe durchs Bürgerhaus führt, während parallel die andere Gruppe dem „Dirigenten“ folgt auf der Suche nach der Orchesterprobe, hat sich wirklich eine Menge einfallen lassen, tatkräftig unterstützt von Regieassistent Matthias Praxenthaler.
Seltsam mutet an, dass die Rathaus-Webseite so gar nicht direkt auf die Veranstaltung hinweist, aber da ich ja gestern abend vor Ort war, kann ich die Berichterstattung gleich selbst in die Hand nehmen und tüchtig Werbung machen für eine Veranstaltung der valentinesken Art.
Wer noch die Gelegenheit hat, sollte sich eine Karte besorgen (15 €, erm. 11 €, ticket@unterfoehring.de), bequeme Schuhe (die Tour dauert mehr als 2 Stunden!) und sich selbst nicht zu warm anziehen und mitgehen auf Tour durchs Bürgerhaus.
Kreuz und quer durch das (wirklich tolle!) neue Gebäude, das noch ein wenig baustellig seiner endgültigen Fertigstellung entgegenharrt geht die Entdeckungsreise:
Das Phantom der Oper wohnt auf der Kegelbahn, im Arbeitsraum der Laienspielgruppe hockt die Verkehrswacht in den Schränken und rezitiert Texte über Wasser. In der Tiefgarage irren Wanderer umher und es wird gegeigt und geschraubt. Chinesische Gesänge gibt es auf dem Balkon, im Café der neuen Bücherei taucht der Unterföhringer Tiefseetaucher, während unten an der Wendeltreppe ein Riesenflötist seine Brille sucht und mit seiner Riesengattin diskutiert und auf dem Dach Loreley nicht sehr gut rasiert, aber zickig dann doch für den Dachruderer singt. Etc., etc.
Ganz großes Kino, was die schauspielerischen Leistungen von Gerd Lohmeyer und seinen Kollegen in zig Rollen an zig Orten angeht. Als Geiger in der Tiefgarage war er anbetungswürdig.
Aber auch die Mitglieder der Laienspielgruppe und zahlreiche Unterföhringer Bürger aus den unterschiedlichsten Vereinen und Gruppen haben wirklich tolle Leistungen hingelegt: Respekt!
Überraschungen, szenische Darstellungen an jeder Ecke, klassische bayrisches Volksgut mitsamt Trachtengruppe und Schuhplatteln kommt vor, aber auch moderne Videoprojektionen in Kombination mit Ausdruckstanz und instrumental-experimentellen Darbietungen. Und natürlich immer wieder Karl Valentin und seine Szenen und Exponate.
Kein Exponat, sondern eine kostenlose Erfrischung, die das Rathaus gespendet hat, sind die überall stehenden Kästen mit Mineralwasser, aus denen sich die Besucher bedienen dürfen – es war ja recht warm in letzter Zeit, die Klimaanlage im Bürgerhaus läuft noch nicht und hey: Zweieinviertel Stunden treppauf, treppab – das schlaucht! Danke, Rathaus, also.
Am Ende der Tour finden die Besuchergruppen dann doch noch die Orchesterprobe – auf der großen Bühne proben die Streicher Synchron-Stullestreichen. Zur Belohnung dürfen die Besucher sich unter dem Applaus des gesamten Ensembles vielfach auf der Bühne verbeugen und es bekommt Blumen geliehen. Mit viel Tamtam und Trara ziehen dann alle hinaus ins Foyer, wo sich die Menge langsam verläuft, bzw. der Eine oder die Andere beim Neuwirt Nachlese bei ein oder zwei Hellen hält.
Das Bürgerhaus ist ein Haus, in dem alles geht! Das ist die Botschaft, die die Entdeckungsreise vermittelt. Und so werden künftig die Musikschüler ebenso einen Platz haben wie die Laienspieler, eine Gastronomie und die Bücherei, ein Glasdach vor dem Haus bietet samstags den Marktständen und deren Kunden ein trockenes Plätzchen – die Planer des Bürgerhauses haben an alle und alles gedacht und nicht einmal die Sonnenkollektoren auf dem Dach vergessen.
Merkur-online hat auch schon drüber geschrieben.
Und die tz klingt leicht gelblich, aber die wohnen eben auch nicht in Unterföhring, und da kann einen schon ein wenig der Neid fressen wegen dem ganzen Luxus. Es ist ja immerhin so: Wir haben hier ein tolles Bürgerhaus. Das ist öffentlich. Da darf jeder kommen und tolle Veranstaltungen genießen. Von überallher, nicht nur wir hier. Also: Herzlich willkommen!
Ach ja, der Herr „Bauleiter“ Ramadan hat mir gestern abend noch ein Interview versprochen, das holen wir die Tage nach, weil wir gestern abend alle schon müde waren. Gell, Herr Ramadan, das vergessen wir nicht – bis die Tage!
Schlagwörter: Bühne, Bürgerhaus, Feringa Leit, Kultur, Kulturziegel, Kunst, Ramadan, Unterföhring, Valentin
28. Juli 2010 um 2:58 pm |
Ich war auch dabei. Das war mit weitem Abstand die originellste Baustellenführung die ich je mitgemacht habe, höchst unterhaltsam und informativ zugleich. Ein „Muss“ für Jeden, der sich Unterföhring verbunden fühlt. Ich stimme daher der Autorin des Artikels (Friderike, Friedericke, Fredericke oder so … oder?) zu: Sofort ein Ticket kaufen.
5. August 2010 um 6:35 pm |
Herr Nachbar, Sie dürfen doch ohnehin nirgends fehlen, wo etwas los ist. Und im Kulturziegel war tüchtig was los und wird dann bald noch viel mehr los sein.
Liebe Grüße, Ihre
Dr. Friederike Buchstaeblich-Seltsam
26. August 2010 um 1:10 pm |
Ich bin grad wieder in der Gegend – jetzt weiß ich endlich, was die Baustelle 2008 da sollte! 🙂
Was war da eigentlich vorher?
11. September 2010 um 8:47 pm |
Hurra, hier geht´s wieder weiter? Wunderbar, das erfreut mein gebeuteltes Herz!
19. September 2010 um 6:07 pm |
Super Blog. Coole Beiträge 🙂