Lena Meyer-Landrut, das neue deutsche Fräuleinwunder, hat es mehr als geschafft:
Beim Eurovision Song Contest hat Frau Meyer-Landrut (entschuldigen Sie, Lena, ich bin zu alt für unangebrachte Duzereien) nicht nur den ersten Platz gemacht – sie hat mit über 70 Punkten Vorsprung gesiegt.
Das wäre normalerweise völlig uninteressant. Wären da nicht diverse „Aber“:
– Frau Meyer-Landrut hat bei einer Casting-Show gesiegt und parallel dazu ihr Abitur gemacht.
– Sie spricht in ganzen Sätzen, benutzt zwar hier und da ein wenig jugendliche Umgangssprache (meine Güte, das Mädel ist 19, und das ist gut so!), diese ist aber nicht pausenlos mit Ghettoslang oder Fäkalsprache der übleren Sorte durchsetzt.
– M-L verkleidet sich nicht als Aushilfsprostitierte vom Babystrich, sondern ist regelmäßig erstaunlich bekleidet.
– Beim großen Auftritt im Wettbewerb verzichtete sie auf grelle Kostümierung, Trickkleid und wild hampelnden, Tanz simulierenden Staffagesupport. Stattdessen reichte ein dunkles, schlichtes Kleidchen, das weit entfernt war von jeglicher Busenblitzergefahr.
– Sie tritt zwar geschminkt vor die Öffentlichkeit, präsentiert sich aber nicht wie eine buntlackierte Litfaßsäule und verfügt über eigene Augenbrauen, die dort sitzen, wo die Anatomie sie vorgesehen hat.
– Die Gewinnerin des Eurovision Song Contest spricht über Cola, Fanta und Mezzo-Mix statt vollgekokst und sturzbesoffen in irgendwelchen Clubs ohne Unterhose fotografiert zu werden, wie es zahlreiche Gesangsdarbieter in der Welt vormachen.
– Statt Seelenstriptease zu betreiben und ihr Privatleben vor der Presse auszubreiten, verweigert sie Journalisten gern die Aussage.
– Frau Meyer-Landrut ist zwar gern einmal albern und gibt nicht die abgeklärte, mit allen Wassern Gewaschene, lässt aber sehr wohl durchblicken, kein Vollpfosten mit Hartz IV als Plan B zu sein.
– Sie achtet auf die Inhalte ihrer Lied-Texte, um sich nicht als etwas zu präsentieren, dass ihren Ruf ruinieren könnte.
Ein eingängiger Song, Persönlichkeit und Stimme reichen, um einen Gesangswettbewerb zu gewinnen – natürlich sollte es so sein, aber dass der Rest der Welt das auch einmal so sieht? Ich hau‘ ins Essen.
Ganz ehrlich:
Dass ich so etwas gut finge, ist ja nichts Neues für mich. Aber dass nicht nur Deutschland das so gut findet, dass man sie nach Oslo schickt, ist genau so erstaunlich wie die die Tatsache, dass sie damit europaweit mit solchem Abstand abräumt.
Noch erstaulicher ist, dass Frau Meyer-Landrut Deutschland zu öffentlichem Feiern inklusive Public-Viewing und Autokorsos veranlasst, obwohl gar kein Fußball ist – das hätte man Deutschland nicht zugetraut!
Abzuwarten bleibt, wieviele Länder im nächsten Jahr eine(n) einzelne(n) Interpreten/-tin im schlichten dunklen Outfit vor dunklem Hintergrund ohne Kirmesgedöns antreten lassen …
Man darf auch gespannt sein, ob sich bei den Casting-Shows anderer TV-Sender seltsame Veränderungen ergeben werden – die schaue ich zwar nicht an, aber das macht ja nichts.
Ist eigentlich etwas dran an dem Gerücht, dass sich am Wochenende in Tötensen jemand Nackenschmerzen zuzog bei dem Versuch, sich selbst sein Monogramm in den selbigen zu beißen?
Ach ja: Herr Raab, passen Sie weiterhin so gut auf das Mädel auf!
Und, nein, ich habe meine Manieren natürlich nicht an der Garderobe hängen lassen, aber das Beste gehört nun einmal an den Schluss:
Herzlichen Glückwunsch, Frau Meyer-Landrut!
Ich habe bei jeder guten Punktewertung gegröhlt, als sei es ein Tor bei der Fußball-WM gewesen – und wer mich kennt, weiß, dass das nicht meine Art ist!
Eine amüsante Analyse des Siegersongs „Satellite“ findet man bei Astrodicticum Simplex!
Und ein kurzer Einwurf von Herrn Drossmann – ganz schön frech, aber lustig!
Und wenn sogar der hier gratuliert, bin ich ja in guter Gesellschaft.
Richtig fleißig: Ein live mitgebloggtes Veranstaltungsprotokoll aus der Wetterau!
10.06.2010 – Update:
Ups! Wie ich erst vor einigen Minuten bemerkte, hat der Blog Medienmogul am selben Tag seine Meinung zu Lena Meyer-Landrut unter dem gleichen Titel wie ich veröffentlicht. „Alles Lena, oder was?“ haben wir wohl nicht nur beide assoziiert, sondern auch beide vergessen, zu googlen, ob der Titel schon vergeben ist. Weitere Gemeinsamkeit: Auch der Artikel von Medienmogul ist äußerst lesenswert!
Fazit: Kann ja mal passieren.
Schlagwörter: Casting-Show, Eurovision Song Contest, Lena Meyer-Landrut, Satellite, Stefan Raab, TV
31. Mai 2010 um 5:19 pm |
Ah, wieder da? Waren Sie im Urlaub? In Oslo? Eine günstige Pauschalreise nach Haiti für Selbstversorger?
Kollegiale Grüße,
cd
31. Mai 2010 um 5:25 pm |
Viel profaner: Einfach nur zu beschäftigt.
31. Mai 2010 um 5:37 pm |
[…] This post was mentioned on Twitter by astrodicticum, Huxi Huxhorn, Michael Bärnthaler, Frank M., Christian Specht and others. Christian Specht said: Sehr schöner Artikel: Alles Lena, oder was? https://buchstaeblich.wordpress.com/2010/05/31/alles-lena-oder-was/ […]
31. Mai 2010 um 5:44 pm |
Im Prinzip hast Du schon recht mit allem, was Du aufgezählt hast. Ich mag das Fräulein Meyer-Landrut trotzdem nicht, weil ich diese Natürlichkeit, auf die alle so abfahren, wahnsinnig künstlich und aufgesetzt finde. Wie eine Werbmasche. Und singen kann sie auch nicht so welt- ääh europameisterlich, wie alle behaupten, ich habe Samstag jede Menge schiefe Töne gehört.
31. Mai 2010 um 6:18 pm |
Tja, „Natürlichkeit“ in den Medien KANN ja gar nicht anders als „künstlich“ sein. Wie denn sonst? Wie Frl. Meyer-Landrut klugerweise sagte: „Kultur – das ist doch Inszenierung, oder?“ In der Tat.
Ich stimme Frau Dr. Seltsam absolut zu, in allen Punkten.
Mag. Kraska
31. Mai 2010 um 6:39 pm |
Ha, da nutze ich doch den Lena-Hype, um für meinen Live-Artikel vom europäischen Liederwettbewerb zu werben. Vielleicht werde ich jetzt berühmt und darf ein Duett mit Lena singen? Oder gar mit Frau Buchstäblich? 🙂
Frau Buchstäblich — sehen Sie mir den plumpen Spam bitte nach — aber ich habe mir die halbe Nacht um die Ohren geschrieben, mir mehr als zwanzig unterirdische Lieder angehört und -gesehen, jetzt muss das raus:
http://wetterauer-weltbilder.de/blog/2010/05/29/live-vom-eurovision-song-contest/
-Frank
1. Juni 2010 um 10:27 am |
Das Contest-Live-Protokoll wird hiermit als absolut lesenswert empfohlen und via Update umgehend mitverlinkt!
31. Mai 2010 um 6:40 pm |
Danke für die Blumen und den Link, mein Statistik-Tool glüht gleich durch!
1. Juni 2010 um 10:14 am |
Irgendwer hat meinen Lena-Text auf Twitter durchgereicht – hier ist auch fast die Statistik explodiert.
🙂
1. Juni 2010 um 3:55 pm |
bei mir hat das Stichwort „Nacktfoto“ gereicht…
http://www.drossmann.de/wordpress/2010/05/31/lena-meyer-landrut-nackt-sex-sells/
😉
cd
1. Juni 2010 um 4:05 pm |
Habe ich gesehen – Klasse!
🙂
31. Mai 2010 um 7:18 pm |
@Perlenschwein: Sorry, den „britischen Mittelschicht-Akzent“ konnte ich nicht unkommentiert stehenlassen 😉
cd
1. Juni 2010 um 10:55 am |
No problem, dear, I have already posted a suitable reply.
1. Juni 2010 um 4:58 pm |
„dear“ dürfen mich nur Südengländerinnen über 70 beim Tee nennen… 😉
cd
15. Juni 2010 um 7:43 pm |
[…] PDRTJS_settings_650355_post_2336 = { "id" : "650355", "unique_id" : "wp-post-2336", "title" : "Uwu+Lena%3A+Single+erscheint+Freitag%21", "item_id" : "_post_2336", "permalink" : "http%3A%2F%2Fbuchstaeblich.wordpress.com%2F2010%2F06%2F15%2Fuwu-lena-single-erscheint-freitag%2F" } Während des Auftaktspiels der WM hatte ich ja schon musikalisch der Bafana Bafana zum ersten Teil mit einem zu dem Zeitpunkt noch relativ unbekannten Fußball-Hit gratuliert: Schland, oh, Schland, einer Coverversion von Satellite, dem Siegertitel des Eurovision Song Contest, gesungen von Lena Meyer-Landrut. […]