Was macht man an einem Sonntag mit schönem Wetter, wenn man in einer reizvollen Landschaft wohnt? Natürlich einen Ausflug!
Was macht eine (zugegeben buchstäblich seltsam gestrickte) Blog-Schreibtöse am Tag danach? Langweilt sie ihr Publikum in der Netzwelt mit der Beschreibung von Landschaften mit sanften Hügeln, sonntäglich verschlafenen Dörfchen und Blumenwiesen?
Eine verführerische Idee, wäre da nicht mein Hang, an merkwürdigen Details kleben zu bleiben und mich daran aufzuhängen.
Während wir also gestern die Rückbank des Autos von Freunden bevölkerten und durch bayrisch ländliches Idyll kutschierten, streifte mein Blick ein Haus auf einem Hügel, vor dem ein Riesenplakat hing: „Buddha“.
Mein „Was ist das jetzt wieder?“ wurde vom Beifahrersitz aus beantwortet: „Ja, die haben da jetzt so ein Dings, so ein … ich komme nicht auf das Wort, verflixt!“
Ich: „Tempel? Meditationszentrum?“
Beifahrersitz:“Nee, da kannst Du beten lassen.“
Ich: „Was?“
Beifahrersitz: „Ja, da kannst Du für dich beten lassen: Wenn Du ein Problem hast, kannst Du dort Bescheid sagen und spenden und dann beten sie da für dich!“
Sofort war ich in den Fremdschäm-Modus versetzt – es gibt Ideen, die sind mir peinlich, obwohl sie gar nicht von mir sind!
Das muss man sich aber auch auf der Zunge zergehen lassen:
Statt ein Problem zu lösen, geht man zu einem Haus auf einem Hügel, entrichtet eine Spende und bekommt erzählt, ein oder viele Leute würden jetzt beten, und dann geht das Problem weg!
Schade, dann ich keinen Buckel habe, dann würde ich glatt mal zehn Euro springen lassen, um den Nachweis anzutreten, dass der Buckel nach dem Gebet immer noch da ist.
Wir leben im einundzwanzigsten Jahrhundert! Wir haben Teilchenbeschleuniger, die Olli-Geissen-Show, Teletext und das Internet, und da gehen Leute her und lassen Buddhisten gegen Geld beten.
Gut, von der katholischen Kirche ist man nichts Besseres gewohnt, da wundert einen seit Jahrhunderten nichts mehr. Da konnte man immer schon ein Säcklein Münzen zu den Tralalinerinnen (oder wie sie alle heißen) tragen, und dann haben die da Rosenkränze im Akkord runtergeleiert, bis dass der Nierenstein abging, oder auch nicht, aber wenn nicht, dann hatte sich Gott ja etwas dabei gedacht, jemanden mittels eines Nierensteines zu prüfen, nicht wahr?
Und wenn man nach einem buddhistischen Gebet seinen Nierenstein behält, dann liegt es natürlich am Karma, das man sich in einem früheren Leben auf den Buckel, der vom Beten auch nicht verschwindet, geladen hat.
Erst neulich sagte ich im Verlauf eines Gesprächs in der realen Welt, Buddhismus sei Katholizismus in orange, aber hey: So sehr wollte ich eigentlich nicht recht haben!
Ich weiß ja nicht, was der alte Mann im roten Badelaken dazu sagt, und ob er von den umtriebigen Machenschaften seiner Gefolgschaft weiß, aber wenn das der ach so blütenreine Buddhismus ist, der ja nichts als den Weltfrieden im Sinn hat, dann bin ich mir nicht sicher, ob die Sache mit dem freien Tibet wirklich eine so tolle Idee ist.
(tippt sich an die Stirn)
Rent-a-Segen! Bin ich bescheuert?
Schlagwörter: Ausflug, Badelaken, Bayern, Beten, buchstäblich seltsam, Buddha, Buddhismus, Dalai Lama, Esoterik, Fremdbeten, Gebet, Glaube, Katholiken, Katholizismus, Philosophie, Religion, Rent-a-Segen, Sind die alle bekloppt?, Sonntag, Tibet
26. Mai 2008 um 11:50 am |
Was ich daran vor allem nicht verstehe ist, warum Buddha mit seinem Service ins bayrisch ländliche Idyll zieht. In meiner laienhaften und kirchenfremden Vorstellung gibt’s doch in der hektischen Großstadt bestimmt mehr Bedarf am Fremd-Beten, oder?
Und, äh, nicht dass ich davon Gebrauch machen wollte: Wär das nicht auch ne Internet-Idee. Online-Fremd-Beten. Nur was für Profis. Mit Erfolgsstatistik. Im Blog dürfen dann auch das Volk kostenlos mitbeten, die, deren Buckel verschwunden ist, berichten per Video. So ne Buddha 2.0-Plattform.
Oder gibt’s das alles schon?
26. Mai 2008 um 12:02 pm |
Basteln wir uns eine Website? Vielleicht epray?
Dann können wir unsere Gebete meistbietend versteigern, und sobald die Kohle überwiesen ist, werfen wir die Gebetsmühlen an.
26. Mai 2008 um 12:22 pm |
Ist doch ein klasse Geschäftsmodell – Die Leistungsabnahme entfällt ersatzlos, weil entweder es klappt – oder es war Höhere Gewalt.
26. Mai 2008 um 12:25 pm |
Wenn ich mir überlege, wieviel Geld die Katholische Kirche damit im Laufe der Jahrhunderte so gemacht hat, sollte ich im Branchenbuch mal nach einem Webdesigner suchen …
26. Mai 2008 um 7:48 pm |
Nicht alles im 21. Jahrhundert ist auch gut und auf die Olli-Geissen-Show, kann man getrost verzichten. Henry Ford hat einmal gesagt
Ob Du denkst, Du kannst, oder ob Du denkst Du kannst nicht Du hast immer Recht!“ Es geschieht nämlich, genau das was Du glaubst, Du merkst das gar nicht.
Wenn Du mal überlegst was Glauben ist? Und was da alles unter Glauben geschieht im Alltag. Und was glaubst Du? Ist das denn so abwegig für jemanden zu beten, auch gegen Geld. Jeder soll doch nach seinem Glauben glücklich werden. Auch im schönen Bayern
Liebe Grüsse zentao
26. Mai 2008 um 8:23 pm |
Ich glaube, die Welt ist voller Pointen – man muss nur hinschauen und mitschreiben.
28. Mai 2008 um 2:30 pm |
Beten entbindet von der Pflicht selbst etwas zu unternehmen 😉
28. Mai 2008 um 2:46 pm |
Klar, und wenn das Problem bestehen bleibt, ist man auserwählt, weil de Schöpfer einen prüft, bzw. das Karma schuld ist. Toll, ne?
23. Juli 2008 um 5:12 pm |
Das gibt es übrigens noch krasser. Nöndro heißt die Praxis, bei der man 108.000 Niederwerfungen macht, um auf dem Weg zur Erleuchtung voranzukommen. Kann man aber auch outsourcen lassen, wenn man/frau zu busy und gut bei Kasse ist. Ich kannte mal ’ne Frau die warf sich für einen gutsituierten buddhistischen Geschäftsmann – obwohl, das führt hier dann doch zu weit…
23. Juli 2008 um 8:04 pm |
So weit hat die sich geworfen?
Aber die Badelakenträger sind sind schon auch pragmatisch: An Rollen mit Sprüchen drauf zu drehen, statt mühsam wie die Katholiken den Rosenkranz abzuarbeiten, hat ja auch etwas.
11. September 2008 um 8:39 pm |
[…] ganz bestimmt werden sie gewählt von dem Club der Fremdbeter, irgendwo in der Nähe von Andechs, aber sonst wird es wohl ein wenig eng, denn der Aberglaube wird […]